Anhang

Der Tiroler Freiheitskampf 1809 und dessen Mythos

Da der Tiroler Freiheitskampf 1809 gerade zu Eggers Schaffenszeit eine so große Rolle im Traditionsbewußtsein und im Selbstverständnis der Menschen Tirols spielte, möchte ich das bereits zum Mythos avancierte Geschehen kurz beschreiben. Die Ereignisse stehen im Zusammenhang mit den Napoleonischen Kriegen. Schon gegen Ende des 18. Jhd. bedrohten französische Truppen von Süden her Tirol, was jedoch von Tiroler Standschützen 1797 abgewehrt werden konnte. Zu Beginn des 19. Jhd. hatte Napoleon (1769-1821), Frankreichs selbstgekrönter Kaiser (1804) und Feldherr eine Vormachtstellung seines Landes in Europa weiter gefestigt. Nach einer militärischen Niederlage Österreichs 1805 mußte der Vielvölkerstaat im Frieden von Preßburg Tirol an Frankreichs Verbündeten und von diesem zum Königreich erhobenen Bayern abtreten. 1806 nahm Bayern offiziell Besitz von Tirol, das seit 1363 zu Österreich gehört hat, jedoch Eigenständigkeit besaß. Die nun von Bayern übergestülpten Veränderungen administrativer, wirtschaftlicher und kultureller Natur, besonders aber die Aufhebung des Tiroler Landlibell, in dem seit 1511 geregelt war, daß Tiroler nicht für kriegerische Dienste außerhalb des Landes verpflichtet werden durften, sorgten für heftige Proteste in der Bevölkerung. Es kam zu Spannungen, lokalen Unruhen, dann zu bewaffneten Auseinandersetzungen, und letztendlich zum Aufstand des ganzen Volkes gegen die Truppen Napoleons und dessen Verbündeten (Bayern, Sachsen). Von den vier Schlachten am Bergisel bei Innsbruck ist die dritte als ruhmreichste in die Tiroler Geschichte eingegangen. Am 13. August 1809 standen 16000 bestens ausgerüsteten, kampferfahrenen, jedoch zermürbten Sachsen und Bayern 15000 Tiroler, meist Bauern, ohne Ausrüstung und Kampfpraxis, dafür mit höchster Motivation und Ortskenntnis gegenüber. Mit den legendären Worten "Seids beinand, Tiroler? Nachher gehn mers an. Die Möß habts gheart, enkern Schnaps habts trunken, also auf in Gotts Nam!" soll der Anführer Andreas Hofer die versammelten Bauern zur Schlacht verabschiedet haben, in der der Feind aus dem Inntal verjagt und Hofer als Befreier bejubelt wurde. Der Erfolg war nur von kurzer Dauer. Im Schönbrunner Frieden (14.10), den Österreich mit Napoleon schloß, verzichtete Kaiser Franz auf Tirol, worauf sofort Bayern und Franzosen Hall und Innsbruck besetzten. Hofer wurde von Fanatikern zum erneuten Kampf trotz nun aussichtsloser Lage überredet. In seinem Gemälde »Das letzte Aufgebot« thematisierte Defregger die einem letzten verzweifelten Aufruf folgenden Tiroler, die in der hoffnungslosen vierten Bergiselschlacht unterliegen werden. Hofer, der sich zunächst in den Bergen versteckt hielt, fiel durch Verrat in die Hand seiner Feinde und wurde am 20.2.1810 im Festungsgraben von Mantua auf Befehl Napoleons erschossen. Ein Mythos lebte auf. Hofer und der Tiroler Freiheitskampf tauchten in zahllosen literaischen Werken, in der bildenden Kunst und auch in Filmen immer wieder auf, wobei die Palette von reportageartigen Schlachtenschilderungen über die Heroisierung und romantische Idealisierung der Kämpfer bis hin zur kritischen Aufarbeitung reichte. Letztere hatte es aber schwer: Als der Tiroler Schriftsteller Franz Kranewitter, mit dem Egger Lienz übrigens befreundet war, in seinem Schauspiel »Andreas Hofer« dem Bauernführer politisches Geschick absprach und dessen bedingungslosen Glauben an das österreichische Kaiserhaus kritisierte, kam es bei der Erstaufführung des Stückes 1903 in Innsbruck zu einem Skandal, dem ein Aufführungsverbot folgte.

1909 wurden die Jahrhundertfeiern großzügig mit öffentlichen Geldern subventioniert, um an den Mythos im Zeichen patriotischen Gedenkens zu erinnern, bzw. ihn nachzustellen. Es gab einen Massenaufmarsch von Schützen und Musikkapellen. In einem Defilée vorm Kaiser, in dem Szenen von 1809 inszeniert waren, stellte man auch Eggers Gemälde »Das Kreuz« und »Haspinger« mittels kostümierter Darsteller nach, vor denen an der Spitze der Maler selbst schritt. Die vielfältigen Gedenkveranstaltungen und -riten dauerten drei Tage an und zeigen, wie sehr der antinapoleonische Widerstand von 1809 zu Eggers Zeiten im Bewußtsein der Tiroler Bevölkerung verhaftet war.

Andreas Hofer
Andreas Hofer


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